Der Ball ist rund, und ich hab Tickets


Argentinien und Fußball scheinen untrennbar. Jeder hier ist Fan irgendeines Vereins, und im Fernsehen laufen grundsätzlich auf mindestens fünf Programmen Fußballspiele.

Es wird Zeit, daß ich mir ebenfalls ein Spiel anschaue. Live natürlich.
Da ich keinen Bezug zu den Clubs habe, ist mir eigentlich ziemlich egal, wer spielt. Viel interessanter ist die Frage, wie man an Karten kommt.
Für Spiele von La Boca brauche ich das gar nicht erst zu versuchen, sagt man mir. Die haben die Fans fest im Griff und als Normalsterblicher kriege man keine Karten.

Aber es gibt eine Partie ‚River‘ gegen ‚Godoy Cruz‘. Unter der Woche. Da müßte doch was zu machen sein.
Also Internetrecherche. Man kann Tickets übers Internet bestellen und sie dann irgendwo abholen. Aber mir wäre es lieber, direkt Karten zu kaufen.
Also mache ich mich auf den Weg zum Vorverkaufsschalter. Leider erfolglos.
Die Tickets könne man ausschließlich am Stadion kaufen. Am Tag des Spiels. Das müßte ich dann eben versuchen.

Weitere Recherche im Netz. Dummerweise ist aber der Ticketschalter am Stadion am Tag des Spiels geschlossen. Man müsse die Tickets am Tag vorher kaufen.
Es ist schon einen Tag vorher.
Dann sagt man mir, man müsse sie unbedingt vorher im Internet bestellen, sonst bekomme man keine.
Nun, dafür ist es jetzt zu spät. Denn in drei Stunden schließt der Schalter, und ich bin noch nicht mal in der Nähe. Es muß auch so gehen.
Ich fahre einfach zum Stadion und nehme in weiser Voraussicht meinen Pass mit. Man weiß ja nie, wann die Argentinier mal förmlich werden.

Am Stadion angekommen, wird schnell klar, daß ich nicht die einzige mit dieser Idee war. Die Schlange der Wartenden ist fast zwei Häuserblocks lang.

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Ich stelle mich brav ganz hinten an, und nur mal so aus Interesse – bevor ich in zwei Stunden am Schalter höre, daß es für mich keine Karten gibt – frage ich die beiden Jungs neben mir, ob es überhaupt möglich ist ohne vorherige Internetbuchung.
Ja, sei es. Aber nur mit einer Kopie des Ausweises.
Aha. Ich habe meinen Pass dabei.
Nein, es müsse eine Kopie sein.
Und wo kann ich die machen?
Es gibt einen Copyshop ungefähr 15 Minuten zu Fuß entfernt.

Na herrlich! Ich gebe meinen Platz in der Reihe, der in der Zeit immerhin schon drei Meter nach vorne gerückt war, auf und laufe los.

Im Copyshop gibt es ebenfalls eine Schlange, weil alle Kopien machen wollen, um Tickets zu kaufen.
Fünfundvierzig Minuten später stehe ich – mit Kopie – am Stadion. Schon mal jemand in Flip Flops gejoggt? Nicht ideal, kann ich sagen!

Die Schlange ist noch länger als vorher.
Ich gehe wieder brav bis zum Ende, da fällt mir erst auf, wie mich alle anstarren. Ich trage ein weißes Kleid (war ja alles so spontan, und das hatte ich eben an) und bin neben sehr wenigen anderen Frauen auch noch die einzige mit hellen Haaren. Mir egal. Ich versuche möglichst argentinisch dreinzublicken, damit ich mich irgendwie nicht ganz so fehl am Platze fühle, und höre einfach den anderen bei ihren Gesprächen zu. Zum Glück!

Ein Typ vor mir redet mit seinem Kumpel und alles, was ich verstehe, ist: die andere Schlange ist viel kürzer.
Ich mische mich ein!
Welche Schlange?
Die für die Leute, die nicht im Internet bestellt haben, sondern direkt hier kaufen und Cash bezahlen wollen. Auf der anderen Seite sei das.

Ich laufe los. Und tatsächlich. Da stehen etwa zehn Leute an.
Innerhalb von fünf Minuten bin ich an der Reihe. In letzter Sekunde drückt mir noch irgendein Typ Kohle und seine Ausweiskopie in die Hand, daß ich ihm eine Karte mitkaufe, was ich auch tue, weil es für Diskussionen jetzt eh zu spät ist.
Aber ich habe es geschafft! Und insgesamt hat es nur fast zwei Stunden gedauert!

Wenn das Spiel vorbei ist, habe ich vielleicht auch endlich eine Antwort, wenn jemand nach meiner Mannschaft hier fragt.

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