Früchte des Ehrgeizes


Wir gehen zum Bus. Es hat geregnet und ist immer noch kein Tag für Sonnenbrände, also ideal für einen Besuch im Museum. (Wir gehen ins Malba. Überwiegend zeitgenössische, lateinamerikanische Kunst. Sehr empfehlenswert.)

Auf dem Weg zur Bushaltestelle kommen wir an einem Mandarinenbaum am Straßenrand, vollbehängt mit Früchten, vorbei.

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‚Wie schön!‘, schießt es aus mir heraus, und ich wechsele automatisch die Straßenseite, um die Pracht näher zu begutachten. Vielleicht ist ja auch eine Frucht heruntergefallen oder in greifbarer Nähe.

Leider nein. Meine Freundin und ich sind leider beide keine Riesen, und die Früchte hängen viel zu hoch.
Da kommt eine Argentinierin, etwa um die 50 Jahre, vorbei. Betrachtet uns und den Baum und ist plötzlich Feuer und Flamme von der Idee, irgendwie an die Mandarinen zu kommen.

Sie versucht es mit springen. Erfolglos!
Dann findet sie am Nachbarbaum eine Brechstange und fängt beherzt an, dem Baum ein paar Schläge in die Krone zu versetzen.
Dem ist das aber egal.
Wir sind einfach alle drei zu klein. Aber sie will nicht ablassen.

Ein paar Jugendliche kommen vorbei. Sie hält den einen Jungen an, drückt ihm die Brechstange in die Hand und bittet ihn, uns ein paar Mandarinen vom Baum zu holen.
Also springt und schlägt nun er, obwohl sichtlich verwirrt.

Schon gleich beim ersten Schlag spritzt ihm der Mandarinensaft ins Auge.
Der Baum wehrt sich.
Der Junge, obwohl nur noch mit zusammengekniffenen und tränenden Augen, macht tapfer weiter und schafft es tatsächlich.
Drei Mandarinen kullern auf den Boden.

Halb erblindet, aber heldenhaft verlässt er uns.
Und wir drei essen die saftigen Früchte.

Die Frau nickt uns zu, bedankt sich und geht sichtlich befriedigt davon.

Wieder mal zeigt sich: wo ein Wille ist, ist auch ein Weg… Oder ein Junge und eine Brechstange.

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