Innerhalb der nächsten sieben Tage sollen wir erfahren, wie es weitergeht. Wir sind sprachlos. Zum Glück dauert es nicht so lange. Nach knapp zwei Stunden erhalten wir eine Mail, dass wir einen Tag später um die selbe Zeit fliegen sollen. Allerdings nur von Colombo nach Dubai, der Anschlussflug wurde nicht geändert und ist immer noch am Tag vorher nach Hamburg.
Da es schon spät ist, als die E-Mail kommt und wir im online Buchungssystem von Emirates nichts selbstständig ändern können, beschließen wir, uns morgen darum zu kümmern. Schweren Herzens. Denn so eine Unsicherheit ist zermürbend und die Angst, dass wir nicht nach Hause kommen, groß.
Am nächsten Morgen gibt es im Buchungssystem eine Änderung. Unser Anschlussflug wurde zwar dem Tag angepasst, allerdings sollen wir nun um 09:50 in Dubai landen, aber schon um 08:30 weiterfliegen nach Düsseldorf. Unmöglich also. Wir überlegen, was wir tun können. Direkt zum Flughafen fahren? Abwarten? Anrufen!
Wir fragen in der Unterkunft, ob wir im Emirates Büro in Colombo anrufen dürfen. Dürfen wir.
Der Besitzer der Unterkunft zeigt uns das Telefon. Die nächste Dreiviertelstunde verbringe ich in einer Kammer, die von Schimmelgeruch getränkt ist und ca. 50 Grad heiß ist. Ich hänge erstmal mehr als 20 Minuten in der Warteschleife bis jemand rangeht. Ich schildere ihr unsere Situation und sie entschuldigt sich für den Fehler. Nun gilt es, ihn zu lösen. Wir reisen egal wohin nach Deutschland, sage ich ihr. Hauptsache nach Hause. Wir können morgen schon fliegen, wenn es geht.
Geht es aber leider nicht. Der nächste Flug ist am Montag, dann nach München. Sie bucht uns dort aber fest ein. Immer wieder legt sie mich in die Warteschleife, ich bin pitschenass – sowohl von der Hitze als auch von der Anspannung.
Online können wir sehen, dass unsere Buchung tatsächlich geändert ist. Montag also über Dubai nach München. Zwei Tage später als geplant. Nie kamen uns zwei Tage so lang vor wie in diesem Moment. Aber immerhin.
Nur, wo verbringen wir nun die nächsten fünf Tage? Wir hatten eigentlich drei Nächte in Negombo gebucht, um dann von dort zum Flughafen zu fahren. Aber fünf?
Nein, wir wollen jetzt da sein, wo wir uns wohlfühlen, wo wir wissen, dass wir gut aufgehoben sind.
Ich schreibe Ranga an. Kurz darauf ruft er per WhatsApp an.
Ich erkläre ihm unsere Situation. Er selbst erzählt mir, dass sie das Restaurant schon schließen und keine Gäste mehr aufnehmen. Es wird ihm zu heikel, seine Eltern sind alt und er will sie nicht gefährden.
Aber wir seien ja nun schon zwei Wochen im Land. Symptomfrei? – Ja! Wir fühlen uns völlig gesund.
Dann sollen wir morgen kommen. Das Appartement ist frei und wir können bis zum Abflug bleiben. Er wird auch dafür sorgen, dass wir was zu Essen bekommen, auch wenn vieles jetzt schließt. Wir sind so dankbar!
Wir buchen einen Fahrer für den nächsten Tag, brauchen aber noch den Rest des Tages, um alles zu verdauen. Wir checken regelmäßig alle Entwicklung im In- und Ausland, sind permanent informiert. Viele schreiben uns, dass wir bestimmt bald zurück geholt werden von der Regierung.
Nein. Leider gilt die Rückholaktion nicht für Sri Lanka. Wir haben uns bereits in der Krisenliste eingetragen und eine entsprechende E-Mail von der Botschaft in Colombo erhalten. Immerhin ist der Grund, dass die Regierung hier nicht tätig wird, weil immer noch kommerzielle Flüge gehen. Ein Hoffnungsschimmer.
Der Flughafen in Colombo ist mittlerweile für Einreisen gesperrt. Es kommen nur noch Leerflüge an, um Touristen rauszufliegen. Auch das sehen wir als positiv. Man will uns ja weg haben.
Auch Emirates bestätigt, dass bis Samstag täglich vier Flüge nach Dubai gehen, danach täglich drei.
Am nächsten Morgen überschlägt sich der Koch nochmal beim Frühstück und tischt uns ein sensationelles Omelette auf. Der Tag startet gut und nach dem Frühstück werden wir vom Fahrer abgeholt.
Er trägt ein Tuch um den Mund, dass er immer, wenn wir sprechen, versucht etwas höher zu ziehen. Er hat scheinbar Angst, dass wir ihn infizieren könnten.
Endlich kommen wir in Paradise Bay bei Ranga an. Seine Mutter Hilda begrüßt uns – nicht per Umarmung oder per Handschlag, aber mit einem herzlichen Lächeln. Das erste, das sie auf Deutsch sagt: „Scheiße Corona!“
Ja, recht hat sie!
Aber wir sind wahnsinnig froh, dass wir hier sind. Es ist fast ein bisschen wie nach Hause kommen. Jetzt wird alles gut.
Ranga sagt, dass er sich Sorgen um uns gemacht hat und froh ist, dass er uns die letzten Tage hier noch Unterschlupf geben kann. Wir auch!
Den Nachmittag verbringen wir am Strand. Es ist lang nicht mehr so viel los wie bei unserem ersten Besuch, aber es gibt noch Touristen, die in den Unterkünften rund herum sind. Man hält höflich Abstand voneinander. Jetzt nur nicht krank werden! Bei den kleinsten Anzeichen kommen wir hier für zwei Wochen in Quarantäne – das Letzte, das wir wollen!
Ranga muss unsere Pässe kopieren und uns bei der Polizei registrieren. „Hier gibt es nicht so Menschenrechte wie in Deutschland“, sagt er. „Hier können sie sehr schnell einfach Dinge beschließen und machen.“
Die ersten Ausgangssperren rund um Colombo sind verhängt, unter anderem in Negombo. Wie gut, dass wir nicht dorthin gefahren sind.
Abends kocht uns Hilda, aber es gibt keine Auswahl. Salat und Reis. Egal. Hauptsache Essen. Rangas Frau fragt, ob wir was trinken wollen. – Weißwein wäre toll.
Den müsste man besorgen. – Wir können ja zum Getränkeladen laufen.
Nein, sagt Rangas Vater. Die Menschen sind verunsichert und Weiße nicht mehr überall gern gesehen. Erst recht nicht bei Dunkelheit. Er fährt mit dem Roller und holt uns Wein, ihm sei sowieso langweilig.
Noch vor zwei Wochen sind wir hier im Dunkeln die Straßen entlang spaziert und wurden freundlich von den Einheimischen gegrüßt. Es hat sich so viel und so schnell verändert.
Als wir mit unserem Wein auf dem Balkon sitzen, lassen wir den Tag Revue passieren. Es ist alles verrückt. Wir kriegen viele Nachrichten aus der Heimat. Viele machen sich Sorgen, fragen, wie es uns geht.
Mein Arbeitgeber drückt die Daumen, dass alles klappt und bietet Hilfe an sofern möglich, sollte ich irgendetwas benötigen. Kollegen melden sich und machen uns Mut. Einige schreiben auch, dass wir lieber da bleiben sollen, weil Deutschland so chaotisch ist. Ich verstehe den Gedanken, aber hier fängt es genauso an. Und dann sitzen wir in einem fremden Land, wir sprechen die Sprache nicht, die Menschen fangen an, uns gegenüber argwöhnisch zu werden, die medizinische Versorgung hier geht gegen null. Und da sollen wir bleiben? Nein, wir wollen so schnell wie möglich nach Hause!
Aber unsere Flüge sind für den Montag bestätigt, das checken wir im Stundentakt online. Es wird alles gut.
Und dann bekommen wir eine Mail: Flug von Colombo nach Dubai am 02. April!