Ich brauch ne Bar fürs Leben


Nach fast einer Woche Fieber geht es mir wieder gut. Nur meine Beine sehen immer noch aus, als gehörten sie einer 80jährigen. Der Ausschlag hat dunkelrote Punkte hinterlassen, die sich bisher hartnäckig halten.
Ich hoffe, nicht für immer.

Gestern konnte ich mich auch endlich mal wieder mit Freunden treffen.
Herrlich, so ein Wiedersehen! Und der Anlass war auch noch eine Geburt.
Noch schöner! Alles bleibt in Bewegung. Und ich selbst?

Ich werde mich gleich am Montag mal wieder zum Arbeitsamt bewegen.
Die meinen es wirklich gut mit mir. So schnell wurde wahrscheinlich noch niemand zu einem Termin geladen. Die fürchten vermutlich, dass ich gleich wieder abhaue.
Aber diesmal will ich ja gar nicht. Erstmal.

Leider hindert mich der Termin daran, meine Brüder zu besuchen, die im Norden Deutschlands wohnen. Meine Eltern fahren dann mal ohne mich.
Aber ich kann ja immer noch mal hin.
Passt wenigstens jemand aufs Haus auf.
Doofes Arbeitsamt. Bißchen doof wenigstens.

Und dann war ich heute Nachmittag doch tatsächlich froh, nicht in Buenos Aires zu sein. Und zwar wegen des herrlichen Wetters. Hier hat die Sonne alles gegeben, während mein Handy für meine Herzensstadt gerade mal 15 Grad anzeigt.

Ich habe mir also einen Fruchtsmoothie mit Ingwer und Chia-Samen gemacht (das ist neu. Hab ich mir aus Argentinien mitgebracht. Keine Ahnung, wofür die sind, aber Fruchtsmoothie mit Chia klingt so viel spektakulärer als frischgepresster Saft.) Pimp my life! Und dann ab in die Sonne.

Und jetzt gerade bin ich traurig, dass ich nicht in Buenos Aires bin.
Die Sonne hat sich verzogen, und keine meiner Lieblingsbars, in der ich garantiert Leute treffe, die ich kenne, ist mal eben vier Blocks entfernt.
Was mache ich denn heute Abend?

Naja, am Montag hab ich ja den Termin beim Arbeitsamt. Dann klappt’s hoffentlich ganz schnell mit einem Job. Und zwar in einer Großstadt.
Wo meine Lieblingsbars um die Ecke sind.
Doch nicht so doof, das Arbeitsamt, hoffentlich.

Actionheld


In den Tagen vor der Abreise sind wir irgendwie beide gesundheitlich nicht so auf der Höhe. Weder meine Freundin noch ich.
Noch am Vormittag, bevor es zum Flughafen geht, muß ich mehrmals die Toilette konsultieren.
Kann man nichts machen. Wir trinken einen letzten Mate und dann werden wir auch schon abgeholt.
Von Mario.

Taxifahrermario ist der Schwager von Mirta (meiner ersten Vermieterin) und hatte mich schon letztes Jahr zum Flughafen gebracht. Allerdings derartig rotäugig, übermüdet und unkonzentriert, daß ich ihn danach erstmal von meiner Liste möglicher Transfers gestrichen habe.
Nachdem aber mein Unterfangen, die Strecke Flughafen – Stadt mit dem Bus zu erobern in einer halben Weltreise endete, fand ich Mario doch nicht mehr so schlimm.

Er ist auf jeden Fall superpünktlich, und wir haben sowieso eineinhalb Stunden Zeit für die Fahrt eingerechnet. Genug also.

Wir kommen gut voran, und schon bald strahlt Mario: ‚in fünf Minuten sind wir schon auf der Autobahn‘.
Nur leider geht auf der Autobahn nichts mehr.
Stau ohne Ende. Der Grund? Nicht ersichtlich.

Mario fährt also bei der nächsten Gelegenheit wieder ab, und dann kommt der Actionheld in ihm hervor.
Er brettert mit uns durch irgendwelche Seitenstraßen und verwinkelten Wege, donnert bei knallroter Ampel über eine ziemlich große Kreuzung und fährt falsch herum in Einbahnstraßen.
Kommentiert mit einem lässigen: ’na, in Deutschland macht man sowas wohl nicht.‘
Es ist ein bißchen wie eine Hollywoodfilm-Verfolgungsjagd.

Schließlich kommen wir sogar am Ursprung des Staus vorbei. Die Autobahnauffahrt, die er nehmen will, ist dort gesperrt, weil etwa zehn Leute mit Pappschildern wegen irgendwas demonstrieren. Zehn Leute schaffen es, den Verkehr auf der Autobahn lahmzulegen. Das Polizeiaufgebot ist dazu noch wesentlich höher.

Trotz Bittens Marios lassen uns die Polizisten nicht passieren. Bzw sagen sie, wir können ja machen, was wir wollen, aber wenn wir dort durch fahren, werden wir mit Steinen beworfen.
Das ist Mario dann doch zu heikel. Statt dessen wählt er die Methode, trotz Überholverbot an allen anderen, die auch nicht auffahren konnten, vorbeizuziehen.

Und schon kommt die nächste Auffahrt, der Stau ist vorbei, mein Magen sortiert, und wir sind pünktlich am Flughafen.

Wie konnte ich Mario auch nur für einen Moment von meiner Liste streichen?!

Abschied


Zum letzten Mal am Tigre auf Bootstour,
Zum letzten Mal Bus fahren (Grüße an Sarah und die 111),
Zum letzten Mal am Obelisk vorbei.

Zum letzten Mal Mundo Lingo,
Zum letzten Mal feria de Mataderos,
Zum letzten Mal die Katze vom Tisch geholt.

Zum letzten Mal eine Tangostunde in Buenos Aires,
Zum letzten Mal der Gang durch den Garten,
Zum letzten Mal ein Umarmungen mit hier geliebten Menschen.

Zum letzten Mal Steak (ab jetzt bin ich wirklich wieder Vegetarier).

Sechs Monate Buenos Aires.
Jetzt beginnt ein neues Abenteuer.

Torte und Champagner


Die Sonne scheint, und das Leben wartet auf uns. Also raus aus dem Haus und auf direktem Weg zum Polofeld. Zu Fuß natürlich. Heute findet ein Turnier statt, und um einen Eindruck dieses Nationalsports Argentiniens zu kriegen, führe ich meine Freundin dorthin.
Ein Eindruck reicht auch dann schon. Wenn man keinen Bezug dazu hat, ist es nur bedingt spannend. Ich weiß auch nicht, wer da spielt, also schauen wir mal gegenüber beim Pferderennen vorbei.

Zwischen überwiegend älteren Herren suchen wir uns einen Platz an der Rennbahn, sehen uns ein Rennen an und ziehen dann weiter.

Weil das Wetter so schön ist, wollen wir einfach durch einen Park streifen.
Wir schlendern so vor uns hin, als wir plötzlich von hinten eine Stimme hören: ‚Wartet mal! Seid Ihr auch Deutsche?‘

‚Klar, schließ Dich uns einfach an.‘ Sarah, wie sie sich uns vorstellt, ist erst seit zwei Tagen in der Stadt und war ebenfalls zu Fuß auf Erkundungstour.
Wir schlendern also ab jetzt zu dritt weiter und verabreden uns auch zum Abendessen.
Bei uns steht Steak auf dem Plan. Das erste hier in Buenos Aires für meine Freundin.

Wir setzen uns raus an einen Tisch, der Abend ist noch angenehm mild. Das Steak ist perfekt, für mich auch.

Neben uns feiert eine große, argentinische Familie einen Geburtstag. Als sie ‚Que los cumplas feliz‘ (happy birthday) anstimmen, singen wir selbstverständlich mit. Feste müssen gefeiert werden, wie sie fallen. Auch in die Schlange der Gratulanten reihen wir uns mit ein. Und schon haben wir wieder ca. 15 Freunde mehr in Argentinien. Selbstverständlich kriegen wir ein Stück Geburtstagstorte, und der Kellner bringt uns Champagner, den er ungefragt nachschenkt.

Und Sarah sagt: ‚Wie gut, daß ich heute Nachmittag anstatt in den Supermarkt zu gehen und den Müll raus zu bringen, doch lieber spazieren gegangen bin!‘

Allerdings! Denn: die Sonne scheint, und das Leben wartet auf uns.