Karfreitag


Karfreitag.
Heute kommt die gesamte Familie zusammen. Im Restaurant treffen wir uns mit etwa zwanzig Brüdern, Schwestern, Tanten, Onkels und dementsprechendem Nachwuchs.

Es ist laut. Alle reden kreuz und quer, wie das bei einem Familientreffen so üblich ist, und natürlich wird gegessen und getrunken.
Eigentlich gibt es Paella für alle, denn an Karfreitag soll man ja auf Fleisch verzichten.
Ich bekomme eine Gemüsetarte, und es gibt doch tatsächlich einige, die es wagen Fleisch zu bestellen.
Die Nichte Fernandos zum Beispiel. Sitzt neben mir und isst ihr Fleisch so schnell, daß man kaum sehen konnte, was sie auf dem Teller hatte. Aus Angst, Gott zu erzürnen sagt sie. Und von ihrer Schwester erhält sie eine kräftige Rüge.
Nunja, bis jetzt ist nichts Schlimmes passiert. Ich glaube, Gott war nicht sehr erzürnt darüber.

Nach dem Essen legen sich die meisten hin.
Damit ich aber was von der Umgebung mitkriege, machen wir einen kleinen Ausflug an eine nahegelegene Lagune, wo sich heute viele versammelt haben, um ihren Karfreitagsfisch zu angeln.

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Danach hält mich eine Tante von der Siesta ab, die ein chronisches Redebedürfnis hat. (Ich frage mich wirklich, ob sie im Schlaf ruhig ist.) Mir fällt ein, daß sie die Tante war, die beim Mittagessen rumgegangen ist, um die Reste von den Tellern zu leeren. Bunt gemischt, von Paella über Kuchen bis hin zu Salat hat sie sich aufopferungsvoll alles in der Mund geschoben. Vielleicht der einzige Moment des Schweigens heute ihrerseits.

Schließlich ist es schon wieder Zeit zum Abendessen.
Um elf Uhr abends bin ich knatschkaputt. Die Nichte fragt erstaunt, warum ich denn müde sei.

Ganz einfach:
Weil ich ca. 20 neue Leute kennengelernt habe, in einer Sprache, die nicht meine Muttersprache ist, in ungewohnter Umgebung und Klima. Und wieder viel zu viel gegessen habe.
Ich glaube, da hat Erschöpfung Berechtigung.

Fleisch oder Fleisch


Ich bin vermutlich die schlechteste Vegetarierin Argentiniens. Vielleicht auch die einzige? Nein. Es gibt wirklich viele vegetarische Alternativen, ganze Restaurants, die mit Quinoa, Linsenburgern und Tofuschnitzeln aufwarten.

Seit meine Eltern da sind, habe ich meinen Magen aber tatsächlich etwas überfordert.
Mein Vater freut sich tierisch über ein gutes Steak. Dementsprechend sind wir auch in den ersten Tagen in verschiedenen Steakrestaurants gewesen. Schließlich sind wir in Argentinien!
Und wenn schon, denn schon. Dann gibt’s für mich eben ein hübsches Filet.
Normalerweise übrigens so gut wie ohne Beilagen, weil das Fleisch mengenmäßig schon genug ist. Abgesehen davon soll man ja abends eh auf die bösen Kohlehydrate verzichten.

Da sitze ich also, normalerweise fleisch- und fischlos, mit einem Batzen Rind und nichts sonst auf dem Teller. Und ich freue mich darüber genauso wie mein Vater.
Nicht, daß wir uns falsch verstehen… Ich esse kein Schwein, kein Huhn, und auch sonst nicht irgendsoein Zeug. Nein, nur feines Filet vom Rind.

Ich bin damit völlig im Reinen, nur mein Magen weiß das nicht.
Nach zwei Tagen der tierischen Eiweißbelieferung setzt die Überforderung in Form von Krämpfen ein. Nicht furchtbar schlimm, aber ich spüre deutlich den Kampf, den meine arme Verdauung, sonst auf Blätter und Teigwaren geschult, durchmacht.
Aber nur deswegen kann ich ja nicht aufhören. Nach dem dritten Tag Fleisch in Folge allerdings muß ich meinem Körper eine Pause gönnen.
Also gibt es einen Abend Pasta und einen Reis.

Aber heute… Also, heute krampft gar nichts mehr.
Da könnte ich doch heute Abend… so ein kleines Filet…

Unsere kleine Farm


Kaum sind meine Eltern da, zerre ich sie auch schon wieder raus aus der Stadt.
Ein Farmausflug ist geplant. Ich war so frei, einfach was zu buchen, und die Unternehmung stößt glücklicherweise auf Zustimmung.
Ehrlicherweise erwarte ich nicht den besten Ausflug aller Zeiten, denn das Ganze war ziemlich günstig und wird auf bekannten Internetbewertungsportalen eher als Kaffeefahrt beschrieben. Mir geht’s aber eigentlich nur darum, daß wir mal was vom Land sehen. Und da wir in der Stadt abgeholt werden, mindestens eine Stunde fahren, und die Farm an sich ganz schön sein soll, erscheint mir das Ganze schon positiv.

Der Tag beginnt mit Regen. In der Nacht hatte es seit mehreren Wochen des Sonnenscheins wie aus Eimern geschüttet. Na prima!
Selbstverständlich werden wir zwanzig Minuten zu spät vom Treffpunkt in Buenos Aires abgeholt. Nichts, was mich besonders überraschen würde.
Allerdings nicht, wie vermutet, in einem Kleinbus, sondern in einem Reisebus.
Also wirklich Massenabfertigung, denke ich.
Auf der Fahrt plärrt die Reisebegleiterin mit schriller Stimme und kaum verständlichem Englisch ins Mikro, um uns auf dem Laufenden zu halten, was die Umgebung angeht, durch die wir fahren.

Eineinhalb Stunden und beinahe Ohrenbluten später biegt der Bus in die Einfahrt der Farm ein, und uns offenbart sich ein bezaubernd angelegtes Gelände mit Rasenflächen, Terrakotta farbenen Gebäuden und einem Reitgelände.

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Wir werden mit Empanadas begrüßt, und das Fleisch für das Mittagessen liegt schon vorbildlich auf dem riesigen Grill. Seit 8Uhr, wie mir der Asador, also Grillmeister, mitteilt, der fleißig glühende Kohlen nachschiebt.
Und siehe da… Mittlerweile strahlt auch die Sonne.

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Natürlich sind neben uns noch viele weitere Touristen da, aber auf dem großzügigen Gelände verteilt sich das so sehr, daß man sich keineswegs wie auf einer Massenveranstaltung vorkommt.
Getränke gibt es den ganzen Tag und Nachschub an Empanadas ebenfalls.
Mein Vater sitzt im Halbschatten einer Palme, mit seinem Snack in der einen und einem Getränk in der anderen Hand, und bietet ein solches Bild der Zufriedenheit, daß selbst die Hofkatze sich seiner nicht erwehren kann und ihm schnurrend um die Beine streicht, in der Hoffnung er möge etwas Essbares fallen lassen.

Ein festes Programm gibt es nicht. Man kann eine fünfminütige Kutschfahrt oder einen ebensolangen bzw kurzen Ausritt mitmachen und das winzige, aber nette Gaucho (argentinischer Cowboy) Museum anschauen.
Und ich bin froh, daß ich keine asiatischen Klischees erfüllen und alle zwei Meter meine fünf Tonnen schwere Kamera aufbauen muß. (Obwohl die Fotos dieser Herrschaften aus Taiwan bestimmt schicker sind als meine.)

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Erst als es dann zum Essen in einem riesigen, aber gemütlichen Saal geht, sieht man, wie viele Besucher die Farm hat, aber das macht sich eher positiv bemerkbar. Denn mit all dem Essen und Trinken, begleitet von hausgemachter Musik und Tänzen, wirkt das Ganze wie eine große Feier.
Zu guter Letzt zeigen die Gauchos etwas von ihrem Können.

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Als wir wieder im Bus sitzen, schweigt die Reisebegleiterin netterweise, und die Gesichter meiner Eltern sind leicht gerötet.
Ob vom argentinischen Wein oder von der Sonne… Es war auf jeden Fall ein schöner Tag.

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Essen und Lachen


Schon gleich am ersten Tag ihrer Ankunft steht für meine Eltern Fleisch auf dem Speiseplan. Wer könnte es ihnen verdenken!
Also führe ich sie in ein Restaurant in der Nähe, das für Qualität und moderate Preise bekannt ist und normalerweise immer rappelvoll ist. Wenn man aber mit Deutschen unterwegs ist, ist das kein Problem, denn wir sind bereits kurz nach sieben dort und damit die ersten Menschen in Argentinien, die schon Abendessen wollen. Wir haben freie Tischauswahl!

Wir alle drei bestellen Filet und bekommen je ein großes Stück mit Salat, und meine Mutter kann es kaum fassen, ihre Tochter vor einem solchen Teller zu sehen. Ja, die Vegetarierin!

Und am nächsten Tag geht es direkt weiter.
Fernando lädt zum Mittagessen ein. Schon seit ca acht Uhr morgens bereitet er Empanadas (gefüllte Teigtaschen) vor, damit wir um zwölf (was dann bedeutet, irgendwann um eins) essen können. Man kann ohne Untertreibung behaupten, daß seine Empanadas die besten überhaupt sind.
Alle sind ein bißchen aufgeregt. Fernando, weil er hofft, daß alles schmeckt, meine Eltern, weil alles neu ist, ich, weil ich hoffe, daß sich alle verstehen.

Wenige Stunden und volle Bäuche später sind alle glücklich, lachen, man spricht auf Spanisch, Deutsch und Englisch, Champagner wird geköpft, und irgendwie, ganz plötzlich, verändern sich die Gesichter, die einen Tag zuvor noch skeptisch auf die Einfachheit meiner Bleibe geblickt haben.
Die interessante Architektur des Hauses wird bestaunt, der riesige Avocadobaum im Garten, und meine Mutter bemerkt begeistert, wie sauber und ordentlich alles ist (natürlich nur mir gegenüber).

Lachen und Herzlichkeit auf beiden Seiten. Ich glaube, jetzt kann man sagen, daß sie wirklich gut angekommen sind.

Don’t mess with a vegetarian


Ich esse ja wirklich nicht viel Fleisch, also so gut wie gar keins.
Ich bezeichne mich durchaus noch als Vegetarier, außer in den raren Momenten, in denen ich auf die Idee komme, mir ein hübsches Filet zu bestellen.
Dann aber bitte nicht durchgebraten, sondern schön rosa und saftig.

Das feine Fleisch ist auch hier nicht unbedingt günstig im Vergleich zu allem anderen, und da bringt mir die Kellnerin doch tatsächlich ein Stück, das mit rosa überhaupt nichts mehr zu tun hat. Durch und durch durchgebraten.

Fürchterlich!

Tut mir leid, das kann ich nicht essen!
Ich bin schließlich Vegetarier und kein Allesfresser!