Ab an den Strand


Eigentlich haben wir gar nicht so schlecht geschlafen. Zum einen haben die Oropax das Dröhnen der Discomusik gemildert und zum anderen waren wir wirklich müde. Schauen wir also mal, was die Umgebung bei Licht bringt.

Zu allererst bringt der Tag ein reichhaltiges Frühstücksbüffet. Das erste, das uns auf unserer Reise begegnet. Sonst wurden wir immer gefragt, was wir essen möchten oder haben, wie in der letzten Unterkunft, einfach Baguette und Omelette bekommen.

Hier gibt es vietnamesische Pho, Reis, Gemüse, Eier und andere Köstlichkeiten und alle, wirklich alle mit Fleisch. Selbst im puren Reis liegen Brocken Schweinefleischs.

Na toll. Für mich gibt es also erstmal Kaffee.

Die Suppe sieht einfach so gut aus, aber die Brocken, die darin schwimmen, lachen mich wirklich nicht an. Vielleicht kann ich ja nur die Einlagen haben, die in kleinen Schälchen da stehen und von den Angestellten für jeden frisch in den Sud gegeben werden. Leider habe ich meinen schlauen Zettel mit dem vietnamesischen Hinweis auf mein vegetarisches Essverhalten nicht dabei. Dann muss ich es eben mit Händen und Füßen versuchen. Ich zeige auf die Nudeln und das Gemüse und mache mit Wedeln und Kopfschütteln deutlich, dass ich es nicht begrüßen würde, wenn es in der Fleischbrühe landet. Große Blicke.

‚No meat, no fish.‘ Große Blicke. ‚Chay‘, sage ich, in der Hoffnung in die Nähe der korrekten Betonung und Aussprache gekommen zu sein, was im Vietnamesischen für jeden Europäer offenbar eher Glückssache ist.

Aber siehe da, sie guckt mich an, nimmt eine Schüssel mit Nudeln und verschwindet damit. Etwa zehn Minuten später kommt sie mit einer dampfenden Suppe zurück: klare Brühe, kein Fleischgeruch oder -geschmack. Glücklich haue ich mir noch Sojasoße, Limette und Chili rein und finde, dass diese Art Frühstück auch in Deutschland etabliert werden sollte.

Wir haben uns überlegt, am Folgetag die Insel anzuschauen. Da wir mit Ausflügen insgesamt bisher gute Erfahrungen gemacht haben, haben wir uns für eine Rundfahrt durch den Norden entschieden. Hier soll es die schönsten Strände geben. Außerdem ist der Pfeffer auf der Insel bekannt für seine Qualität und wird dort angebaut. Wir buchen und machen uns dann auf zum Strand.

Dazu müssen wir die Straße überqueren, vorbei an den offenen Mülltonnen. Wenigstens schlafen die Ratten wohl gerade. Schön ist es auch bei Tag nicht, aber auch nicht mehr ganz so schlimm wie im Licht unserer Ankunft.

Ein kleiner Pfad durch eine urwaldähnliche Anlage führt uns zum Strand. Die Anlage besteht aus einzelnen kleinen Bambushütten, die offenbar einst Domizil Reisender waren. Wirklich hübsch. Jetzt ist alles verlassen und verwittert. Den Grund können wir uns vorstellen: direkt daneben hat man einen riesigen Hotelklotz hingebaut. Dessen Klimaanlagen an der Hauswand zeigen zu der hübschen Anlage und dröhnen so laut, dass hier sicher so manchem Tag und Nacht verdorben wurde. Außerdem wirft der Betonbau Schatten auf die hübschen Häuschen und lässt sie so, selbst bei strahlendem Sonnenlicht, im Dunkel versinken. Die Großen fressen die Kleinen – diesen Eindruck bekommen wir noch häufiger auf der Insel, auch wenn unsere Theorien unbestätigt bleiben, denn um zu fragen, spricht keiner gut genug Englisch.

Dann sind wir am Strand. Weißer, feiner Sand, aufgewühltes, aber schönes (warmes) Wasser und Palmen. Bleiben wir doch einfach hier. Mit Sand paniert wie ein Schnitzel, die Füße an ‚unsere‘ Palme gelehnt, und einer Kokosnuss in der Hand lassen wir es uns gut gehen. Land und Leute passen sich nicht den Erwartungen an, aber ich passe mich gerne diesem schönen Strand Phu Quocs an. Es war doch kein Fehler, hergekommen zu sein.

Welcome to Phu Quoc


Wir packen ein weiteres Mal unsere Sachen. Diesmal verabschieden wir uns von Hoi An. Und von Bi. Sie fällt mir in den Arm. Sie hat uns sowieso bei jeder Gelegenheit angefasst – und sie war nicht die einzige. In der Stadt hat es sich ein kleiner asiatischer Junge nicht nehmen lassen, mich mit großen Augen anzuschauen, während er mir beherzt die Hand auf die Beine legte. Wieder andere wollten sich mit der Blonden aus Europa fotografieren lassen. Das fühlt sich wirklich schräg an.

Bi jedenfalls drücke ich zurück und erinnere mich an die Schneiderin nach der Jackenübergabe. Auch sie fiel mir um den Hals, besser gesagt um die Taille, weil sie mir gerade bis zur Brust reichte. Herzliche, kleine Menschen.

Wir freuen uns jetzt auf unsere Strandtage. Beide Flüge (der erste geht von Danang nach Saigon und dann weiter nach Phu Quoc) haben Verspätung, so dass wir erst im Dunkeln ankommen. Wir erwarten ein noch überwiegend unerschlossenes Eiland, mein Reiseführer ist von 2016 und berichtet darüber, dass zum Zeitpunkt der Recherche noch nicht viel Auswahl an Unterkünften bestand und erst nach und nach gebaut werde. Was wir schon auf der Fahrt zu unserer Bleibe sehen, macht leider einen ganz anderen Eindruck. Die gesamte Küstenstraße entlang, zumindest auf dem Abschnitt, sehen wir einen dicken Hotelklotz nach dem anderen. Dazwischen improvisierte Supermärkte und aufgerüschte Restaurants. Zum ersten Mal sehen wir Tischdecken in Vietnam.

Die Straße vor unserer Unterkunft ist laut und stark befahren, es stinkt nach Müll und vor uns huschen Ratten ins Dunkel. Zu allem Überfluss dröhnt der Bass einer anliegenden Diskothek bis in unser Zimmer. Wie sind einigermaßen geschockt.

Aber meine Haltung in solchen Momenten ist: wenn man reist, passen sich Land und Leute eben nicht den Erwartungen an; man muss sich anpassen und das Beste daraus machen oder weiterziehen.

Also trinken wir ein Bier, lachen über das ‚wunderschöne‘ Bild in unserem Zimmer, stecken uns Oropax in die Ohren und schauen einfach mal, was der nächste Tag bringt.

Meine Füße hatte ich heute noch nicht im Sand.

Das Wandern ist des Touris Lust


Damit meine Eltern nochmal was anderes sehen als nur die Stadt, steht ein Ausflug nach Uruguay an. Nur eine Stunde und fünfzehn fährt man mit der Fähre nach Colonia über den imposanten Rio de La Plata.

Die Tickets sind gebucht, um 12.30Uhr soll es losgehen. Um 11.30Uhr sollen wir uns am Hafen einfinden, denn schließlich reisen wir ins Ausland, und dementsprechend warten Passkontrollen und Sicherheitschecks auf uns.

Um 10.30Uhr steigen wir in den Bus, der um 11.25Uhr immer noch mitten im dichten Straßenverkehr, fern des Hafens, feststeckt.
Also Planänderung. Aussteigen und doch Taxi fahren. Das kann sich wenigstens durch die Strassen durchschlängeln.
Natürlich erwischen wir den verschlafensten Taxifahrer von ganz Buenos Aires und kommen erst gegen 11.50Uhr an.
Und natürlich ist das halb so schlimm, weil mal wieder alles später losgeht als geplant.

In Colonia angekommen, erwartet uns neben herrlichem Wetter auch eine Stadtführerin, die uns bei einem Gang durch die Straßen die Geschichte näherbringen soll.
Meine armen Eltern verstehen leider nicht viel, weil ihr Englisch so schlecht ist, daß auch ich sie auf Spanisch wesentlich besser verstehe. Darüber hinaus spricht sie beim Gehen stur geradeaus, so daß die Leute hinter ihr eh keine Chance haben, etwas zu hören.

Trotz allem sehen wir eine wunderhübsche Altstadt.

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Und die Stadtführerin empfiehlt allen, doch mal zum ‚Plaza de Toros‘ zu fahren, das lohne sich. Mit dem Taxi oder aber auch mit dem Bus.
Wir entscheiden uns für den Bus und sind reichlich verwirrt, als das vollgepackte Gefährt sich scheinbar von jeder Zivilisation entfernt und mit uns durch kaum bebaute Wohngebiete und Gebüsch über Sandwege heizt.
Eine Einheimische ist so freundlich uns zu sagen, wo wir aussteigen müssen.
Und da sind wir nun, am ‚Plaza de Toros‘. Und da ist genau… Nichts!

Eine Ruine einer alten Stierkampfarena, die man nicht beteten darf, bildet die Mitte einer Art Kreisverkehr nur ohne Verkehr.

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Daneben ein paar alte Eisenbahnwagons zu einem Café umgebaut, in dem außer uns keiner sitzt. Aber wenigstens wollen wir etwas trinken.
Die Preise haben Pariser Charakter. Ziemlich dekadent für ein Wasser im Nichts von Uruguay.

Mit dem vollgequetschten Bus wollen wir auch nicht nochmal fahren.
Wir laufen!

Während meine Eltern den Leuchtturm, zu dem wir zurück wollen, einigermaßen nah einschätzen, fällt mir ein, daß die Stadtführerin von einer Strecke von fünf Kilometern gesprochen hat.
Nun, ich laufe gern und will die Motivation nicht bremsen.
Und der Weg an der Flußpromenade entlang ist auch wirklich schön…

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…Nur eben auch lang!

Aber letztendlich haben wir tapfer den fünf Kilometer Marsch bei knapp 30 Grad durchgehalten.
Ich bin mir sicher, daß wir die Touristen waren, die am meisten von Colonia gesehen haben und am müdesten ins Bett gefallen sind.
Das Steak am nächsten Tag haben wir uns redlich verdient!

Und ein besonderer Dank an meine Eltern, die all die Mätzchen, die ich mir für sie ausgedacht habe, ohne Murren mitgemacht haben. Die brauchen danach bestimmt erstmal Urlaub.