Die Farben von Hoi An


Kurz nach 18 Uhr erreichen wir endlich unser Ziel. Unsere Unterkunft in Hoi An ist fußläufig von der Bushaltestelle aus zu erreichen. Wir zerren unsere Koffer hinter uns her. Der Weg wäre kein Problem, wenn man nicht permanent auf der Straße laufen müsste, weil der Gehsteig mit Mopeds und Rollern vollgestellt ist. Naja, man muss eben Prioritäten setzen.

Wieder werden wir herzlich empfangen. Nach dem langen Tag sollten wir erstmal entspannen, geredet wird später, sagt Bi, die Betreiberin dieses Homestays und zeigt uns stolz das Zimmer. Frühstück sei dann bis zehn, aber bis elf sei auch kein Problem. Schließlich hatten wir Verspätung.

Wir springen unter die Dusche, ziehen uns frische Sachen an und machen uns, zusammen mit dem Pärchen, mit dem wir bereits Frühstück, überlange Pause und Pannenzeit geteilt und dank guter Gespräche überstanden haben, auf in die Altstadt.

Hoi An soll so schön sein, hieß es, aber dass es so bezaubernd sein würde, hätten wir nicht erwartet. Die für Hoi An typischen Seidenlampions hängen im gesamten Ort über den Straßen, vor den Restaurants, beleuchten die Boote auf dem Fluß, tauchen die kleine Stadt in die schönsten Farben; orange, rot, grün, lila, weiß, das Auge kann sich kaum satt sehen. Bunte Papplampen, von Kerzen erhellt, schwimmen auf dem Wasser und suchen sich ihren Weg unter der Brücke hindurch. Wir sind vollkommen hingerissen und folgen dem Treiben.

Ein Ziel haben wir aber doch und das lautetet: Essen.

Es gilt, die vegetarische Herausforderung anzunehmen und endlich dafür zu sorgen, dass wir Straßenessen bekommen. Ich bin vorbereitet. Aus meinem Reiseführer habe ich abgeschrieben, was ‚ich bin Vegetarier‘ heißt. Überall stehen sehr kleine Wagen, die Essen anbieten, teilweise undefinierbares. Bei einem gibt es eine Art Fladen, gegrillt mit irgendwas drauf. Ich halte meinen Zettel hin und siehe da; die Verkäuferin nickt. Ihr Helfer ist sogar ganz begeistert und betont, er esse selbst oft ‚chay‘, also vegetarisch. Es ist der 16. März. Obwohl die Vietnamesen eigentlich alles mit Fleisch essen, machen sie um die Monatsmitte oft eine Ausnahme. Da viele Buddhisten sind, haben sie Achtung vor denen, die kein Tier zur Nahrungsaufnahme töten möchten.

Sie bereitet den Fladen also vegetarisch zu: mit Frühlingszwiebeln, Röstzwiebeln, Wachteleiern, Mayonnaise und Chilisoße.

Ich finde es super! Alle warnenden Worte wie ‚Mayonnaise bei der Hitze‘, ‚die Eier liegen einfach so rum‘ erschlage ich mit ‚wurde doch jetzt gegrillt, ist doch alles abgetötet‘. Um ehrlich zu sein, ist keiner von uns vieren daran interessiert, das Essen schlecht zu reden. Wir lachen darüber und beißen beherzt zu. Dieses Ding schmeckt wirklich gut. Das haben wir nicht zum letzten Mal gegessen.

Trotzdem haben wir noch Hunger auf was Richtiges. Mehr als ein Snack muss es schon sein. Am Ufer entlang sind kleine Holztische mit Stühlen aufgebaut. Jeder Abschnitt scheint zu einem anderen Koch zu gehören. Wir haben Glück; ich zeige meinen Zettel und der gut gelaunte Vietnamese scheint sich zu freuen, dass er unserem Wunsch nachkommen kann. Er zeigt uns alle Gerichte, die er ohne Fleisch und Fisch machen kann. Wir nehmen fast alle.

Kurze Zeit später sind wir im Streetfood-Paradies: scharfer Papayasalat, dicke Nudeln mit Gemüse, herzhafte Pancakes in Reispapier mit frischen Kräutern und frisches Kokoswasser. Wir sind völlig begeistert. Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Nur das Bier kann uns unser neuer Freund nicht bieten, dafür hat er keine Lizenz, aber das bekommen wir wenig später in einer Rooftopbar, beleuchtet mit den Farben Hoi Ans.

Ein guter erster Abend.

Noch mehr Kaffee


Mit dem Kaffeethema sind wir noch nicht durch. Nachdem wir einige Stunden durch Hanoi gelaufen sind, am Ho Chi Minh Museum waren und als Hellhäutige selbst kurz als Touristenattraktion dienten, könnten wir wieder einen Kaffee vertragen. In einer Seitenstraße sind zwei Cafés nebeneinander. Das eine etwas hübscher und westlicher, das andere eine offene Garage voller Vietnamesen auf kleinen Plastikstühlen. Für uns eher Kinderstühle, aber die scheinen hier sehr populär zu sein. Zugegeben: die Vietnamesen sind auch alle nicht sehr groß.

Für mich ist die Entscheidung klar; es wird die Garage. Schon beim Betreten richten sich alle Blicke auf uns. Hauptsächlich erstaunte. Ich gehe an die kleine Theke, hinter der eine Vietnamesin herumwuselt. Sie beachtet mich nicht. Also setzen wir uns einfach und siehe da, man kommt sofort zu uns. Ein älterer Herr mit nicht viel mehr als vier dunkelgelben Zähnen lächelt übers ganze Gesicht und nickt uns zu. ‚Coffee please‘, sagen wir… und schon greift die Kollegin am Tresen zum Löslichen. ‚No, no, no!!!‘ Wir zeigen auf den Kaffee am Nachbartisch. Dort stehen auf den Gläsern kleine, metallene Filter, durch die der dickflüssige Kaffee tropft. Die wollen wir. ‚Hot‘, bitte. Bekommen wir. Und zwar in Tassen, die Gläser sind wohl für die kalte Variante. Dazu noch zwei Gläser Tee. Der Tee ist wirklich gut und dient als Überbrückung, denn bis der Kaffee durchgelaufen ist, dauert es ca zehn Minuten. Und der schmeckt sooo gut. Kräftig nach Nuss und irgendwie karamellig. Wir überlegen, ob dem Pulver noch was beigemischt wurde. Sirup vielleicht? Liegt es an der Röstung? Er schmeckt definitiv anders als bei uns.

Wir wollen sehen, wie sie das Pulver in den Filter macht, aber das versteht hier leider keiner. Der ältere Herr reagiert aber auf unsere Versuche, mit Händen und Füßen etwas zu erreichen, extrem bemüht. Er bringt uns zwei Gläser und gießt unseren Kaffee nochmal auf. Damit wir sehen können, wie er durchläuft. So muss er es verstanden haben; dass wir noch nie Kaffee haben durchlaufen sehen. Er ist so bemüht und freundlich und strahlt uns an, dass wir nicken und uns bedanken und ihm zur Freude fasziniert den herabtropfenden Kaffee anschauen. Auch der schmeckt gut, aber ich fange nach zwei so starken Tassen langsam an zu zittern. Zeit, weiterzuziehen. Wir bezahlen, bedanken uns euphorisch und verlassen das Café. Verfolgt von einem Lächeln mit vier großen, gelben Zähnen.

Der Duft von Hanoi


Die Dusche bleibt kalt, weil das Wasser einfach nicht warm wird. Zehn Minuten nachdem der Strom eingeschaltet ist, sollte es warm werden, sagte die Dame, haben wir zumindest so verstanden – tatsächlich sind es eher so 20 Stunden.

Egal, kaltes Wasser ist gut fürs Bindegewebe. Hauptsächlich wollen wir sowieso endlich was essen.

Wir verlassen unser Hotel mitten in einer kleinen Gasse in der Altstadt – und da stehen wir. Umgeben von Menschen, die auf der Straße stehen und sitzen. Sie kochen, braten, hacken Fleisch und Fisch, zupfen Gemüse zurecht, schälen Obst, und drum herum verpesten die Mopeds und Autos die Luft mit ihren stinkenden Abgasen. Die Gerüche sind, gelinde gesagt, dramatisch. Hunger, geschweige denn Appetit, ist wie weggeblasen. Es mischt sich der Geruch von getrocknetem Fisch, Dieselgestank und bei 20 Grad mehrere Stunden ungekühltem Fleisch. Die Garküchen, von denen ich noch drei Stunden zuvor dachte, dass ich sie testen werde, entpuppen sich als Woks auf Bunsenbrennern am Boden, Essen serviert auf ungewaschenen Plastiktellern, das mir schon beim Anblick auf den Magen schlägt. Nein. Heute keine Garküche. Der Tag war zu lang, die Reizüberflutung zu groß, alles so laut. Vielleicht morgen. Vielleicht an einem anderen Tag in den nächsten zwei Wochen.

Wir wandern noch zweimal um den See, bis wir die Gerüche soweit aus der Nase haben, dass die Nahrungsaufnahme möglich scheint. Es wird ein kleines Lokal, wenige Plätze, aber bebilderte Karte. Das Essen ist vietnamesisch und gut, das Bier schenkt uns die nötige Bettschwere. Ein anstrengender Tag. Ein aufregender Tag. Ich freue mich, hier zu sein.