La Boca die Zweite


Heute Morgen sah es so aus, als werde der Tag nicht ganz so heiß. Ein wenig bewölkt, etwas windig, und die Wettervorhersage sprach sogar von späterem Regen. Perfekt für einen Ausflug also.

Wie es der Zufall so will, trifft man manchmal Leute, die man kennt, aber seit fast zehn Jahren nicht gesehen hat, plötzlich in einem ganz anderen Teil der Welt. So auch hier. Mich wundert sowieso überhaupt nichts mehr, ich freue mich einfach.
Und weil es so ein schöner Tag ist, und La Boca noch nicht bei allen als gesehen abgehakt werden kann, geht der Ausflug genau dorthin.

Schon im Bus (ich wiederhole noch mal die Preiserhöhung: von 1,70 auf 3,70!), der etwa eine Stunde braucht, sind wir förmlich zerflossen. Mittlerweile sind alle Wolken wie weggeblasen, es herrscht Windstille, und das Quecksilber klettert ohne Erbarmen nach oben.
Kaum angekommen, ist das erste Ziel ein Restaurant, eine kleine Stärkung, Schatten und vor allem (extrem überteuertes) Wasser.
Und trotzdem ist es den Besuch mal wieder wert. Die bunten Häuser leuchten in der Sonne, vor jedem Restaurant bieten Tangotänzer und -sänger ihr Können dar, und an einem Montag ist zwar viel los, aber es ist nicht so eng und überlaufen wie an Wochenenden. La Boca rund um seine Gasse Caminito ist Tourismus pur, aber irgendwie erfrischend. Und besonders.

Der Bus fährt uns wieder zurück, außer duschen und sich unter den Ventilator legen, ist heute nicht mehr viel drin.
Reicht ja auch. Morgen ist schließlich ein neuer Sommertag.

Bunt, bunter, La Boca


In La Boca war ich bisher nicht. La Boca ist ein Hafenviertel im Osten der Stadt, bekannt durch sein Fußballstadion „La Bombonera“, in dem die Boca Juniors zu Hause sind, so wie durch die bunten Häuser, die entstanden sind, weil die Bewohner übriggebliebenen Schiffslack verwendeten, um die Fassaden zu streichen.

Ich war deshalb noch nicht da, weil die Gegend als gefährlich gilt. Nicht nur Geschichten kursieren um Jugendbanden, sondern ich selbst habe ein Mädchen kennengelernt, die am helligten Tag dort überfallen wurde.

Aber heute habe ich Begleitung. Mirta. Meine erste Vermieterin hat eine Einladung zu einer Ausstellung und möchte, daß ich sie begleite. Mach ich gern. Erstens, weil ich eben noch nicht in La Boca war und zweitens, weil Ausflüge mit Mirta meistens etwas Ungewöhnliches an sich haben.

Es ist extrem heiß. Mich freut das, aber Mirta, der das Laufen generell schwer fällt, macht es zu schaffen. Deshalb fahren wir auch kurze Wege, die man eigentlich in fünf Minuten laufen könnte, mit dem Bus. Macht ja nichts.
Nachdem wir die Ausstellung (die offenbar mehr etwas wie ein kurzer ‚ich war da Termin‘ für Kunstliebhaber war) begutachtet haben, fahren wir weiter und steigen Höhe Caminito aus. Eine der bekanntesten Straßen, oder mehr Gassen, gefüllt mit Strassenkünstlern, Restaurants und Touristen. Hier muß ich wohl höchstens meine Handtasche im Auge behalten, aber einen Überfall wird bei der Masse an Menschen bestimmt keiner wagen.

Der Besuch lohnt sich. Die bunten Häuser, die Musiker auf der Straße, die Händler und der Fluß, der höchst dreckig und muffig vor sich hin wabert, bilden eine besondere Atmosphäre. Die bunten Häuser geben all dem einen Touch von Spielzeugland und ständiger Freude.
Neben mir stöhnt Mirta vor lauter Hitze, trinkt mir mein Wasser weg und murmelt unentwegt Unverständliches vor sich hin.

Auf dem Heimweg fährt der Bus auch durch die Nebenstraßen, die gar nicht mehr so bunt sind. Und gar nicht mehr so belebt. Und die Bewohner gar nicht mehr so herausgeputzt, um den Touristen zu gefallen und ein paar Pesos zu verdienen. Hier würde ich bestimmt nicht aussteigen. Aber muß ich ja auch nicht. Der Bus bringt mich zurück in meine heile Welt.
Nicht ganz so bunt angemalt, aber dafür nicht nur Fassade.
(Und merke: Ausflüge im Sommer mit Mirta können anstrengend sein!)

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Tango… tanzt hier niemand


Ganz offenbar spalten sich die Bewohner hier in zwei Gruppen. Die, die tanzen und die, die der Meinung sind, daß niemand tanzt.

Bisher kannte ich nur Leute, die irgendwie was mit Tango und generell mit Tanzen zu tun haben. Sei es Salsa, Bachata, Reaggeton. Sei es in der Milonga, in Bars oder zu Hause im Wohnzimmer.
Aber mittlerweile sind mir auch einige Personen begegnet, für die das mehr oder weniger alles nur ein Gerücht ist.

Tango… hat man früher getanzt. Ist fast ausgestorben. Gibt es kaum noch. Und überhaupt sind die Argentinier, oder zumindest die in Buenos Aires, nicht so die Tänzer. Sind ja quasi alles Europäer ursprünglich. Und die haben ja auch nicht so den Rhythmus im Blut.

Wie hoch nun tatsächlich der Prozentsatz der tanzenden Bevölkerung ist, kann ich nicht sagen. Aber irgendwie passe ich mich automatisch an: Eine Woche lang habe ich fast täglich getanzt, eine Woche irgendwie quasi gar nicht.

Es gibt eben schlicht und einfach Beides.

Tango ist ein Arschloch


Da klappt es jetzt endlich mit der Sprache, zumindest im Großen und Ganzen, da stellt sich mir das nächste Verständigungsproblem. Das auf der Tanzfläche.
Ich hatte erst fünf Stunden, das ist quasi gar nichts. Aber es ist genau wie bei einer Sprache, wenn man nicht rausgeht und sich in freier Wildbahn versucht, nützen auch die besten Unterrichtsstunden nichts.
Und Tango hat tatsächlich was von einer Sprache. Der Mann markiert, im besten Falle verständlich, welche Bewegung als nächstes folgen soll, und die Frau versteht, im besten Falle, was der Mann ihr markiert.

Bei mir ist es so: ich verstehe beim Tango noch nicht viel. Deshalb ist es nett, wenn jemand langsam und deutlich „spricht“.

Beim Spanisch lernen war das viel einfacher. Da sind alle entgegenkommend und hilfsbereit, beim Tango will man lieber einfach tanzen und zeigen, was man kann.
Einige wenige gibt es, die sich Zeit nehmen und erklären. Und dann passiert es tatsächlich…
Dieser Moment, in dem man tanzt, ist als würde man fliegen.

Aber gestern hat mich einer aufgefordert, der genau wußte, daß ich Anfängerin bin. Nach einem halbem Lied wollte er dann auch schon nicht mehr. Und das ist sehr, sehr unhöflich! Und macht einen sehr, sehr unsicher!

Manchmal ist Tango ein Arschloch, und in dem Fall der Typ auch!
Weitertanzen werde ich trotzdem…

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