Actionheld


In den Tagen vor der Abreise sind wir irgendwie beide gesundheitlich nicht so auf der Höhe. Weder meine Freundin noch ich.
Noch am Vormittag, bevor es zum Flughafen geht, muß ich mehrmals die Toilette konsultieren.
Kann man nichts machen. Wir trinken einen letzten Mate und dann werden wir auch schon abgeholt.
Von Mario.

Taxifahrermario ist der Schwager von Mirta (meiner ersten Vermieterin) und hatte mich schon letztes Jahr zum Flughafen gebracht. Allerdings derartig rotäugig, übermüdet und unkonzentriert, daß ich ihn danach erstmal von meiner Liste möglicher Transfers gestrichen habe.
Nachdem aber mein Unterfangen, die Strecke Flughafen – Stadt mit dem Bus zu erobern in einer halben Weltreise endete, fand ich Mario doch nicht mehr so schlimm.

Er ist auf jeden Fall superpünktlich, und wir haben sowieso eineinhalb Stunden Zeit für die Fahrt eingerechnet. Genug also.

Wir kommen gut voran, und schon bald strahlt Mario: ‚in fünf Minuten sind wir schon auf der Autobahn‘.
Nur leider geht auf der Autobahn nichts mehr.
Stau ohne Ende. Der Grund? Nicht ersichtlich.

Mario fährt also bei der nächsten Gelegenheit wieder ab, und dann kommt der Actionheld in ihm hervor.
Er brettert mit uns durch irgendwelche Seitenstraßen und verwinkelten Wege, donnert bei knallroter Ampel über eine ziemlich große Kreuzung und fährt falsch herum in Einbahnstraßen.
Kommentiert mit einem lässigen: ’na, in Deutschland macht man sowas wohl nicht.‘
Es ist ein bißchen wie eine Hollywoodfilm-Verfolgungsjagd.

Schließlich kommen wir sogar am Ursprung des Staus vorbei. Die Autobahnauffahrt, die er nehmen will, ist dort gesperrt, weil etwa zehn Leute mit Pappschildern wegen irgendwas demonstrieren. Zehn Leute schaffen es, den Verkehr auf der Autobahn lahmzulegen. Das Polizeiaufgebot ist dazu noch wesentlich höher.

Trotz Bittens Marios lassen uns die Polizisten nicht passieren. Bzw sagen sie, wir können ja machen, was wir wollen, aber wenn wir dort durch fahren, werden wir mit Steinen beworfen.
Das ist Mario dann doch zu heikel. Statt dessen wählt er die Methode, trotz Überholverbot an allen anderen, die auch nicht auffahren konnten, vorbeizuziehen.

Und schon kommt die nächste Auffahrt, der Stau ist vorbei, mein Magen sortiert, und wir sind pünktlich am Flughafen.

Wie konnte ich Mario auch nur für einen Moment von meiner Liste streichen?!

Willkommen


Nach dem Generalstreik am Tag zuvor scheinen nun alle einen Tag später fliegen zu wollen. Dementsprechend herrscht am Flughafen leichtes Chaos, und mein Flug verspätet sich um etwa zwei Stunden.
Halb so wild, ich bin schließlich gut angekommen, und nach einer Viertelstunde brav in der Schlange anstehen, bekomme ich auch ein Taxi (die Argentinier lieben es einfach, sich irgendwo anzustellen und Schlangen zu bilden).

Und als ich zur Tür hereinkomme, schwebt mir schon der Duft nach frischen Empanadas entgegen. Hausgemacht natürlich.

Und die Empanadas ála Fernando sind nun mal die besten. Willkommen zurück!

Das Wandern ist des Touris Lust


Damit meine Eltern nochmal was anderes sehen als nur die Stadt, steht ein Ausflug nach Uruguay an. Nur eine Stunde und fünfzehn fährt man mit der Fähre nach Colonia über den imposanten Rio de La Plata.

Die Tickets sind gebucht, um 12.30Uhr soll es losgehen. Um 11.30Uhr sollen wir uns am Hafen einfinden, denn schließlich reisen wir ins Ausland, und dementsprechend warten Passkontrollen und Sicherheitschecks auf uns.

Um 10.30Uhr steigen wir in den Bus, der um 11.25Uhr immer noch mitten im dichten Straßenverkehr, fern des Hafens, feststeckt.
Also Planänderung. Aussteigen und doch Taxi fahren. Das kann sich wenigstens durch die Strassen durchschlängeln.
Natürlich erwischen wir den verschlafensten Taxifahrer von ganz Buenos Aires und kommen erst gegen 11.50Uhr an.
Und natürlich ist das halb so schlimm, weil mal wieder alles später losgeht als geplant.

In Colonia angekommen, erwartet uns neben herrlichem Wetter auch eine Stadtführerin, die uns bei einem Gang durch die Straßen die Geschichte näherbringen soll.
Meine armen Eltern verstehen leider nicht viel, weil ihr Englisch so schlecht ist, daß auch ich sie auf Spanisch wesentlich besser verstehe. Darüber hinaus spricht sie beim Gehen stur geradeaus, so daß die Leute hinter ihr eh keine Chance haben, etwas zu hören.

Trotz allem sehen wir eine wunderhübsche Altstadt.

20140314-201507.jpg

20140314-201558.jpg

20140314-201709.jpg

Und die Stadtführerin empfiehlt allen, doch mal zum ‚Plaza de Toros‘ zu fahren, das lohne sich. Mit dem Taxi oder aber auch mit dem Bus.
Wir entscheiden uns für den Bus und sind reichlich verwirrt, als das vollgepackte Gefährt sich scheinbar von jeder Zivilisation entfernt und mit uns durch kaum bebaute Wohngebiete und Gebüsch über Sandwege heizt.
Eine Einheimische ist so freundlich uns zu sagen, wo wir aussteigen müssen.
Und da sind wir nun, am ‚Plaza de Toros‘. Und da ist genau… Nichts!

Eine Ruine einer alten Stierkampfarena, die man nicht beteten darf, bildet die Mitte einer Art Kreisverkehr nur ohne Verkehr.

20140314-202419.jpg
Daneben ein paar alte Eisenbahnwagons zu einem Café umgebaut, in dem außer uns keiner sitzt. Aber wenigstens wollen wir etwas trinken.
Die Preise haben Pariser Charakter. Ziemlich dekadent für ein Wasser im Nichts von Uruguay.

Mit dem vollgequetschten Bus wollen wir auch nicht nochmal fahren.
Wir laufen!

Während meine Eltern den Leuchtturm, zu dem wir zurück wollen, einigermaßen nah einschätzen, fällt mir ein, daß die Stadtführerin von einer Strecke von fünf Kilometern gesprochen hat.
Nun, ich laufe gern und will die Motivation nicht bremsen.
Und der Weg an der Flußpromenade entlang ist auch wirklich schön…

20140314-203011.jpg

20140314-203155.jpg

20140314-203219.jpg

…Nur eben auch lang!

Aber letztendlich haben wir tapfer den fünf Kilometer Marsch bei knapp 30 Grad durchgehalten.
Ich bin mir sicher, daß wir die Touristen waren, die am meisten von Colonia gesehen haben und am müdesten ins Bett gefallen sind.
Das Steak am nächsten Tag haben wir uns redlich verdient!

Und ein besonderer Dank an meine Eltern, die all die Mätzchen, die ich mir für sie ausgedacht habe, ohne Murren mitgemacht haben. Die brauchen danach bestimmt erstmal Urlaub.

Bohnen, Bus und Gegrilltes


Der Flug war pünktlich, und dank meines wunderbaren, neuen Reisekissens habe ich einigermaßen bequem schlafen können.
Ein ewiges Rätsel wird mir das Flugzeugessen bleiben. Es ist nicht das erste Mal, daß es an Bord in irgendeiner Form Bohnen gibt. Grüne, rote… Dabei kennt doch jeder den Spruch: jedes Böhnchen, ein Tönchen.
Ich stelle mir vor, wie der Koch, der für das Essen verantwortlich ist, still in sich hineinkichert bei dem Gedanken, ein paar hundert Menschen in einem geschlossenen System mit Bohnen versorgt zu haben. Vielleicht soll das ja auch für mehr Auftrieb sorgen und Kerosin sparen. Zumindest ist aber die Maschine nicht aufgrund erhöhter Gasentwicklung explodiert.

Ich bin also gut angekommen, morgens kurz nach acht.
Daß es heiß sein würde, wußte ich, aber die Wand, die mich erwartete, hatte ich mir nicht ganz so heftig vorgestellt. Innerhalb von Sekunden war ich nass geschwitzt (zusätzlich hatte ich ja lange Hosen vom Flug an), und um mich herum alle genauso.

Diesmal wollte ich mich ja dem Abenteuer „Flughafen – Stadt“ im normalen Bus widmen. Hab ich auch. Lief auch alles prima und nach zweimal umsteigen und zweieinhalb Stunden Fahrt war ich dann da. (Erste Neuerung: Die Busfahrpreise wurden erhöht.) Wenn man zuviel Zeit hat und Geld sparen muß, ist das bestimmt eine tolle Alternative, ich werde beim nächsten Mal vielleicht lieber wieder auf ein Taxi zurückgreifen.

Mein Schlüssel passt noch, und ich werde sogar erwartet. Fernando begrüßt mich, er habe bereits den Grill angeschmissen und ein paar Stücke Fleisch besorgt. Was will man sich dagegen wehren?!
Nachdem ich mich aus meinen schweißnassen Klamotten gepellt und geduscht habe, gibt’s also direkt das erste Stück Fleisch in Argentinien, so wie es sich für einen Vegetarier gehört. Nebenher höre ich Fernando zu und versuche zu antworten. Es klappt auch noch einigermaßen, aber irgendwie komme ich mir selbst ganz fremd vor, wenn ich Spanisch spreche. Ganz seltsam.
Viel geht nicht rein, sowohl vom Fleisch, als auch Spanisch in meine Ohren, denn ich bin so kaputt von Flug und Hitze, daß es Zeit für eine Siesta wird.
Sofern das bei der Hitze möglich ist.
Ich werde einfach von einem Schwimmbad träumen.

Abheben


20131219-165119.jpg
Und schon bald bin ich wieder im Kreise meiner Familie, habe einen Temperaturunterschied von 30 Grad und spreche und höre ausschließlich deutsch.

Meine Fahrt zum Flughafen war übrigens… interessant. Der Schwager von Mirta, meiner ersten Vermieterin, hat mich letztendlich für einen Obolus gefahren. Was ich nicht wußte, ist, daß er eigentlich Taxifahrer ist. Und zwar nachts.
Das heißt, er hat gestern Abend um acht mit seiner Arbeit abgefangen und quasi nicht geschlafen. Mit kaninchenroten Augen begrüßt er mich, überfährt innerhalb der ersten zehn Minuten eine rote Ampel und fast eine Frau und geht leider noch zwischendurch ans Handy, was zu zusätzlichen Spurwechseln führt.

Aber nun gut. Ich bin hier.
Ich hatte ja sowieso überlegt, den Bus auszuprobieren, wenn ich zurückkomme.